Du hast es sicher schon erlebt: Eltern, die alles für den Erfolg ihrer Kinder tun wollen. Sie setzen hohe Ziele, weil sie nur das Beste für ihr Kind möchten. Noten und Leistungen stehen dabei meist im Fokus, denn sie sehen darin den Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft. Doch was passiert, wenn das Kind diese Erwartungen nicht erfüllen kann?
Häufig wird Druck erzeugt, gut gemeint, aber nicht immer hilfreich. Sätze wie „Du musst nur mehr üben!“ oder „Warum fängst du nicht einfach früher an?“ sollen motivieren, führen aber oft zu Frustration. Kinder fühlen sich überfordert, ziehen sich zurück oder werden wütend, was die Situation noch schwieriger macht. Der tägliche Streit über Hausaufgaben und Lernen wird zur Belastung für alle.
LEISTUNGSDRUCK UND SEINE AUSWIRKUNGEN
Viele Eltern handeln aus einer verständlichen Sorge heraus: Sie wollen sicherstellen, dass ihr Kind die besten Chancen im Leben hat. In einer Welt, in der schulische Leistungen oft als Maßstab für zukünftigen Erfolg gelten, wird es zur Priorität, das Beste aus dem Kind herauszuholen. Doch was viele Eltern dabei nicht immer erkennen, ist, dass Druck auch das Gegenteil bewirken kann. Statt das Kind zu motivieren, setzen ständige Ermahnungen und hohe Erwartungen es unter Stress.
Dieser Stress zeigt sich nicht nur in emotionalen Reaktionen wie Demotivation, Frustration oder Rückzug, sondern auch im Verhalten. Kinder, die unter Druck stehen, entwickeln oft das Gefühl nicht gut genug zu sein – egal, wie sehr sie sich anstrengen. Wenn die erhofften Leistungen ausbleiben, spüren sie die Enttäuschung ihrer Eltern. Das kann einen Teufelskreis in Gang setzen. Oft zeigt sich das in Form von Widerstand und Trödeln. Das Kind verschiebt das Lernen oder den Beginn der Hausaufgaben, lässt sich leicht ablenken oder weigert sich, schwierige Aufgaben anzugehen.
FOKUS DER ELTERN
Was du als Lerncoach oder Lerntherapeut*in sicherlich auch kennst, dass bei leistungsorientierten Eltern der Fokus auf die vermeintlichen Schwächen des Kindes gerichtet ist. Wenn in einem Fach eine schlechte Note auftaucht, selbst wenn alle anderen Noten gut sind, fällt es vielen Eltern schwer diese ‚Schwäche‘ zu akzeptieren. Ihre Reaktion ist oft, noch mehr Druck auszuüben, was das Kind weiter entmutigt. Manchmal werden dann Freizeit- oder Sportaktivitäten gestrichen, um noch mehr zu üben. Die Balance zwischen Förderung und Überforderung ist nicht leicht auszutarieren, und das tägliche Ringen um Hausaufgaben, Lerneinheiten und Leistungserbringung kann schnell zur Belastung für die gesamte Familie werden.
LERNBLOCKADEN DURCH LEISTUNGSDRUCK
Lernblockaden sind oft die direkte Folge von Überforderung. Ein Kind, das ständig unter Druck steht, entwickelt eine Art „Selbstschutzmechanismus“. Dieser äußert sich in der Vermeidung von Situationen, in denen es sich unwohl fühlt, wie etwa beim Lernen oder bei den Hausaufgaben. Die Angst, den Erwartungen nicht gerecht zu werden ist so groß, dass das Kind sich unbewusst selbst blockiert. Die Reaktion kann auf den ersten Blick wie Faulheit oder Desinteresse wirken, doch in Wirklichkeit handelt es sich oft um einen Versuch des Kindes, dem ständigen Gefühl des Versagens zu entkommen.
Zusätzlich kann die Furcht vor Fehlern so ausgeprägt sein, dass das Kind lieber gar nicht erst beginnt. Es weiß, dass es möglicherweise nicht die Leistung erbringen kann, die erwartet wird, und zieht sich deshalb komplett zurück. Lerncoaches berichten immer wieder von Kindern die aufgeben, bevor sie überhaupt angefangen haben, einfach weil die Angst zu scheitern zu groß ist. In besonders stressigen Phasen, etwa vor Prüfungen oder in besonders schwierigen Fächern, kann diese Blockade besonders ausgeprägt sein und bis zum Blackout führen.
ELTERNPERSPEKTIVE
Als Lerncoach ist es wichtig, die Perspektive der Eltern zu verstehen. Sie handeln aus dem berechtigten Anliegen heraus, dass ihr Kind die bestmöglichen Chancen im Leben haben soll. Nicht selten ist ein Elternteil selbst perfektionistisch oder hat als Kind ähnlichen Druck erlebt. Erschwerend kommt manchmal hinzu, dass beide Elternteile unterschiedliche Sichtweisen zu schulischen Leistungen haben, woraus eine ungünstige familiäre Spannung und gegensätzliche Botschaften an das Kind entstehen.
ACHTUNG: LERNCOACH-FALLE
Eltern melden ihre Kinder oft in der Annahme an, dass das Kind mehr Disziplin braucht oder konzentrierter sein sollte, weil es in den Augen der Eltern oder Lehrer „nicht genug leistet“ oder „zu abgelenkt“ ist.
Schnell gerätst du dann in die Position, die Erwartungen der Eltern erfüllen zu sollen. Sie wollen schließlich, dass ihr Kind mehr arbeitet oder eigenständiger wird! Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Es gilt den Eltern aufzuzeigen, dass es nicht nur um das Verändern von Verhaltensweisen geht, sondern auch um das Lösen von Blockaden oder Ängsten, die mit Druck und Versagensängsten zusammenhängen. Und in einem Elterncoaching zu schauen, was sie als Eltern dazu beitragen können, um die Situation für alle Beteiligten zu entspannen. Sonst besteht die Gefahr, dass du nur versuchst Symptome zu beheben, ohne die eigentlichen Ursachen zu adressieren.
LÖSUNGSANSÄTZE FÜR ELTERN
Im Lern- oder Elterncoaching ist dann eine empathische und systemische Haltung angebracht. Eltern benötigen oft Unterstützung, um zu erkennen, dass zu viel Druck eher eine Lernblockade begünstigt, als dass er zu besseren Leistungen führt. Es hilft, gemeinsam darüber zu sprechen, wie sie realistische Ziele formulieren können, die das Kind motivieren, anstatt es zu überfordern. Zudem kannst du Wege aufzeigen, wie Eltern schulische Herausforderungen mit mehr Gelassenheit und Unterstützung anstatt mit zusätzlichen Anforderungen begegnen können.
ELTERNCOACHING: 5 INTERVENTIONSIDEEN
Hier kommen fünf Interventionsideen, die du im Coaching einsetzen kannst:
🟧 Paradoxe Intervention
„Was müssten Sie tun, um die Situation / das Verhalten ihres Kindes noch zu verschlimmern / zu verstärken?“
Diese provokative Frage irritiert zuerst einmal und lädt gleichzeitig dazu ein einen Blick auf das eigene Agieren und dessen Auswirkungen zu werfen. In der Regel ist dieser Perspektivwechsel sehr erhellend und führt zu ersten Aha-Erkenntnissen.
🟧 Perspektivwechsel mit der Gewaltfreien Kommunikation
Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg ermöglichen dir, die Eltern dabei zu begleiten, ihre Gefühle und Bedürfnisse hinter ihrem druckausübenden Agieren sichtbar zu machen. Dadurch wird ihnen klaren, weshalb sie so (re)agieren, wie sie (re)agieren. Anschließend dürfen sie sich in die Schuhe ihres Kindes stellen. Im Coaching kann das super mit einem Stellvertreter-Stuhl für das Kind verdeutlicht werden, auf dem sich das Elternteil dann setzt.
Dadurch erkennen sie, wie es ihrem Kind wirklich geht. Wie es sich in dieser Lage fühlt und welche Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Aus dieser Draufsicht können abschließend neue Handlungsstrategien entwickelt werden, die ermöglichen das Kind beim Lernen wertschätzend und klar zu unterstützen.
🟧 Systemischer Blickwinkel
Besonders in dem Erstgespräch ist wichtig herauszuarbeiten, wer der Beteiligten welches Anliegen und welche Erwartungshaltung mitbringt! Das ist vor allem bedeutsam, wenn beide Elternteile oder die involvierten Großeltern, verschiedene Ansichten vertreten. Das Kind steht dann bedauerlicherweise im Mittelpunkt und soll zukünftig funktionieren. Nur wem soll es denn nun gerecht werden?!
Zu den Beteiligten zählen übrigens auch die Lehrer*innen! Denn so manches Mal geraten Eltern selbst unter Druck, weil eine Lehrkraft mangelnde Konzentration, störendes Verhalten oder zu geringe Mitarbeit kritisiert. Diesen Druck geben Eltern dann an ihre Kinder weiter, obwohl es vielleicht ein Thema ist, dass nur in der Schule auftaucht. Solch ein Thema gehört in der Schule gelöst.
Im Coaching können z.B. zirkuläre Fragen wie „Wenn ich ihren Mann fragen würde, wer mehr unter der Situation leidet, Sie oder ihr Sohn, was würde er wohl antworten?“, hilfreich sein. Auch Visualisierungen am Flipchart helfen Klarheit in die Erwartungsdynamik zu bringen. Oder, wer darin ausgebildet ist, kann mit dem Systembrett oder mit Aufstellungen unterstützen.
🟧 Glaubenssätze der Eltern
Hinter dem Druck den Eltern meist unbewusst und mit guter Absicht ausüben, liegen in der Regel Glaubensmuster wie, „Nur wer einen Notendurchschnitt von 2 hat, kann es zu etwas bringen.“ oder „Mein Kind muss mutiger werden und mündlich mitarbeiten.“
Im Coaching kannst du die Glaubenssatz-Formate, die du kennst, wie z.B. ‚Glaubenssatz im Spiegel der Zukunft‘, einsetzen. Ziel ist es Eltern erleben zu lassen, wie ihre Überzeugungen ihr Verhalten steuern, welche destruktiven Auswirkungen diese haben und anschließend konstruktive Glaubenssätze zu entwickeln.
🟧 Metaphern für Eltern
Metaphern, also Geschichten mit bildhafter Sprache, haben einen enormen Impact-Effekt. Sie wirken unmittelbar auf der emotional-unbewussten Ebene und werden gleichzeitig kognitiv verstanden. Da braucht es kaum weitere Worte und die Offenheit für Veränderung ist meist sofort gegeben.
Das PDF mit 5 Metaphern für Elterngespräche kannst du dir hier kostenfrei runterladen:
IM LERNCOACHING
In der direkten Arbeit mit den Kindern ist es entscheidend, ein Umfeld zu schaffen, das frei von Angst und Leistungsdruck ist. Ein wichtiger Ansatz besteht darin, das Selbstvertrauen des Kindes zu stärken, seine Stärken hervorzuheben und ihm zu zeigen, dass Fehler ein natürlicher Teil des Lernprozesses sind. Indem du das Kind ermutigst, eigenständig kleine Erfolge zu feiern, schaffst du Raum für eine gesunde Lernhaltung. Strategien wie positive Verstärkung und das Setzen von erreichbaren Zielen helfen dabei, die Motivation zu fördern und schrittweise Lernblockaden zu überwinden. Ziel ist es, das Kind so zu begleiten, dass es lernt, selbst an sich zu glauben und Freude am Lernen zu entwickeln. Darüber hinaus kannst du natürlich Strategien aus dem Lerncoaching für eine bessere Aufmerksamkeitssteuerung oder gehirnfreundliche Lernstrategien einsetzen.
FAZIT
Als professionelle*r Lernbegleiter*in ist es wichtig einen klaren Blick bei der Auftragsklärung zu behalten: „Wer hat welches Anliegen und welche Erwartungen an das Lerncoaching und an mich?“. Wir haben also achtsam zu sein, welchen Auftrag wir genau übernehmen wollen und können!
Wenn es sich um leistungsorientierte Eltern handelt, ist es wichtig auch die Eltern in das Coaching mit einzubinden und ihnen z.B. separate Termine anzubieten. Denn wenn das Agieren der Eltern unverändert bliebe, würden auch die besten Lerncoaching-Stunden mit dem Kind wenig oder nichts verändern.
Egal welche Intervention im Coaching gewählt wird, wichtig ist mir stets den Eltern wertneutral zu begegnen. Dazu gehört, ihre positiven Absichten zu sehen, wertzuschätzen und zu komplimentieren (zu erwähnen) sowie die Eltern in die Lösungsfindung aktiv mit einzubeziehen. Sie kennen ihre Kinder schließlich am besten und sind entsprechend Experten für ihr Kinder.
Lerncoach MASTER-Modul
WERTSCHÄTZENDE KOMMUNIKATION – GFK IM COACHING
Aufmerksam hinhören und einfühlsam begleiten – diese Fähigkeiten bilden das Fundament einer professionellen Coaching-Praxis. Dafür brauchst Du eine scharfe Wahrnehmung und Handwerkszeug, um Deine Kommunikation gezielt und lösungsorientiert einsetzen zu können. Die Vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation sind dafür das ideale Modell. Sie eignen sich für die prozessorientierte Begleitung im Einzelsetting, dem ElternCoaching oder das Schlichten von Konflikten. Darüber hinaus geht es in diesem Modul um die bedürfnisorientierte Auftragsklärung und Hypothesenbildung. Input, mit dem Du Deinen Coaching-Werkzeugkoffer zusätzlich füllen kannst – für noch mehr KnowHow und Coaching-Kompetenz.
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